Im Jahr 2014 hat Panerai eine hochmoderne Uhrenmanufaktur auf den Hügeln von Neuchâtel eröffnet. Über 40 verschiedene Manufakturkaliber werden hier mittlerweile in-house produziert. Zusammen mit Juwelier Weber aus Gelsenkirchen haben wir die Manufaktur besucht und dabei viel über die Geschichte von Panerai gelernt sowie einen Einblick hinter die Kulissen der Schweizer Luxusmarke erhalten.
Panerai ist eine der Uhrenmarken, die stets polarisieren. »Zu groß«, »zu laut«, »zu wenig Produktvielfalt«, sagen die einen. »Genau richtig« und »das muss so«, sagen die anderen. Ich selbst habe auch ein paar Jahre in dem Hobby gebraucht, um die Faszination von Panerai zu begreifen. Doch seitdem ich vor ein paar Jahren aus einer Laune heraus meine erste Luminor Marina gekauft habe, hat mich die Faszination für die Schweizer Uhrenmarke mit ihren italienischen Wurzeln gepackt. Wenngleich mich meine erste Panerai irgendwann wieder verlassen hat, ist für mich absolut klar, dass irgendwann wieder eine ihren Weg in meine Sammlung finden wird. Umso mehr habe ich mich also gefreut, als ich über Juwelier Weber aus Gelsenkirchen die Chance bekam, sie auf einer Tour vom Ruhrgebiet zur neuen Panerai-Manufaktur nach Neuchâtel im Schweizer Kanton Neuenburg zu begleiten.
Über Zürich nach nach Neuchâtel
Unser Flug geht morgens von Düsseldorf nach Zürich. Am Gate blicke ich in noch etwas müde, aber erwartungsvolle Gesichter. Wir freuen uns auf die anstehenden zwei Tage in der Schweiz, dem Land der mechanischen Uhren. Als wir nach etwas über einer Stunde Flugzeit in Zürich landen, strahlt die Sonne über dem tiefblauen Wasser des Zürichsees. Nach einem kurzen Abstecher in ein kleines gemütliches italienisches Restaurant begeben wir uns zum ersten Programmpunkt der Reise: einem Besuch in der neuen Panerai-Boutique.
Mitten in Zürichs bester Lage, in der Bahnhofstraße 32, hat im Spätsommer 2022 Panerai eine neue Flagship-Boutique eröffnet. Auf zwei Ebenen mit insgesamt 110 Quadratmetern lassen sich hier die Highlights der vier Hauptkollektionen live und in Farbe bestaunen. Für Uhrenliebhaber wie mich ist es das Paradies. Rund eine Stunde lang gehört die Boutique uns und wir können schamlos alles anprobieren, was das Herz begehrt. Ein erstes Highlight ist schnell auserkoren: die Luminor Marina eSteel™ Verde Smeraldo mit ihrem wunderschönen grün-schwarz-verlaufenden Zifferblatt.
Das Thema Nachhaltigkeit ist für Panerai von großer Bedeutung und so fokussiert sich die Marke zunehmend auf die Entwicklung nachhaltiger Materialen und Verarbeitungsprozesse. Ein Ergebnis dieses Strebens nach Nachhaltigkeit ist eSteel™. Dieser besitzt dieselben Eigenschaften wie gewöhnlicher Stahl, besteht aber zu 95 % aus recycelten Stahl. Seit 2021 wird er bei Panerai für einzelne Modelle verwendet.
Nach dem Boutiquebesuch in Zürich geht es für uns weiter mit dem Bus ins rund 150 km entfernte Neuchâtel (zu deutsch: »Neuenburg«). Das beschauliche Städtchen liegt idyllisch eingerahmt zwischen dem Neuenburgersee (»Lac de Neuchâtel«) im Süden und der ersten Bergkette des Juras im Nordwesten. Da das Jura-Gebirge so etwas wie die Geburtsstätte der Schweizer Uhrmacherei ist und nach wie vor zahlreiche Hersteller dort in der Region angesiedelt sind, eignet sich Neuchâtel bestens als Ausgangspunkt für etwaige Manufakturbesichtigungen. Unsere steht allerdings erst am Folgetag an, weshalb ich mich nach dem Einchecken ins Hotel Beau-Rivage dazu entscheide, mir noch etwas die Füße zu vertreten und den Ausblick auf den Neuenburgersee zu genießen. Sanft plätschert das Wasser um einen Holzsteg, während am Ufer ein paar Spaziergänger die letzten warmen Stunden des Tages genießen. »Life is better at the beach - oder zumindest am See«, denke ich mir, bevor es zurück ins Hotel geht, wo uns neben den herrlichen Ausblicken von Terrasse und Speisesaal aus ein gutes Abendessen erwartet. Satt und zufrieden gehts Bett,voller Vorfreude auf das, was wir am nächsten Tag in der Panerai-Manufaktur sehen werden.
Die Geschichte von Panerai
Der Manufakturbesuch startet pünktlich um 9:00 Uhr. Zunächst erhalten wir eine Präsentation über die Geschichte der Marke. Panerai war im Gründungsjahr 1860 zunächst ein kleiner Uhrenladen in Florenz. Hier wurden Taschenuhren diverser Hersteller verkauft. Mit der Zeit fing man an, auch eigene mechanische Instrumente herzustellen. Die italienische Marine wurde schon bald zu einem Auftraggeber für solches Equipment. Im Jahr 1935 erhielt Panerai den Auftrag, eine wasserdichte Uhr für Kampfschwimmer zu liefern. Diese sollte unter Wasser auch bei schlechten Sichtverhältnissen gut ablesbar sein. Ein mit 47 mm übergroßes Gehäuse in Kissenform, das ursprünglich für eine Taschenuhr vorgesehen war, in Verbindung mit einem großen Zifferblatt und reichlich Leuchtmasse waren die Lösung und der Beginn des typischen Panerai-Designs, wie wir es heute noch kennen.
Tatsächlich wurden die ersten Panerai-Modelle von Rolex für Panerai hergestellt. Experten gehen davon aus, dass zwischen 1936 und 1956 rund 900 bis 1.000 Modelle dort im Auftrag für Panerai gefertigt wurden und viele der Designelemente wie das Sandwich-Blatt oder der Kronenschutzbügel von Panerai und Rolex zusammen entwickelt wurden. Heutzutage ist es schwierig, hier zuverlässige Aussagen zu erhalten, denn die Uhren wurden ausschließlich für das italienische Militär gefertigt und waren damit Staatsgeheimnisse.
Nach 1956 wurde es ruhiger um die Uhren von Panerai. Zwar wurde vereinzelt noch an Uhren gearbeitet, aber man fokussierte sich wieder primär auf die Herstellung von Taucherausrüstung. Erst mit dem aufkommenden Trend des Sammelns von Armbanduhren in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren wuchs das Interesse der europäischen Uhrenliebhaber für die alten Panerai-Modelle. Nachdem vermehrt Anfragen von Sammlern an die Marke Panerai herangetragen wurden und das Unternehmen auch durch die wirtschaftliche Krise des Jahrs 1992 gebeutelt war, entschloss man sich dazu, in den zivilen Uhrenmarkt einzusteigen. Im September 1993 wurden daraufhin drei Kollektionen der Öffentlichkeit präsentiert, die optisch von historischen Panerai-Modellen inspiriert waren.
Das Design kam gut an und schnell begannen auch Stars wie Sylvester Stallone die Uhren von Panerai zu tragen. Der Erfolg führte schließlich zu einer Übernahme der Marke durch die Richemont-Gruppe (damals noch als »Vendôme-Gruppe«) im Jahr 1997. Anfang der 2000er-Jahre wurde Panerai dann von Florenz nach Neuchâtel umgesiedelt und dort erstmalig eine Manufaktur errichtet, in der von nun an ein zunehmend großer Fokus auf die Entwicklung eigener Uhrwerke gelegt wurde. Das erste eigenständige Kaliber wurde 2005 präsentiert. Stand heute produziert Panerai mehr als 40 Uhrwerke in-house, angefangen vom einfachen Dreizeigerwerk bis hin zu hohen Komplikationen. Im Jahr 2014 bezog Panerai dann ein hochmodern-ausgestattetes Manufakturgebäude in den Hügeln von Neuchâtel, wo die Marke bis heute sitzt. Hier findet auch unsere Führung statt.
In der Manufaktur
Die erste Station auf unserer Reise durch die Manufaktur führt uns ins kreative Herz von Panerai, dem »Laboratorio di idee«, bzw. der Entwicklungsabteilung. Hier entstehen die Ideen, die dann irgendwann in serienreifen Modellen resultieren. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Auf Basis der ersten Idee wird ein Design entwickelt, das anschließend anhand von Modellen und ersten Prototypen getestet wird. Panerai bedient sich dazu unter anderem auch des 3D-Drucks um bspw. schnell und vergleichsweise unkompliziert die Wirkung von Gehäusen und Bändern zu erproben. Mithilfe von ausführlichen Testverfahren werden Schwachstellen und Optimierungspotenziale der neuen Modelle identifiziert. Diese Erfahrungswerte fließen dann in das finale Produktdesign ein, welches die Basis der Serienproduktion bildet. Organisiert und geplant wird das alles mit einer Art Kanban-Board aus Lego-Bausteinen. Jeder Mitarbeiter hat dazu eine eigene Lego-Figur. Sogar Darth Vader ist mit von der Partie. Man merkt sofort, die Mitarbeiter haben hier Spaß.
Vom »Laboratorio di idee« gehts für uns direkt weiter in die Testabteilung. Hier erfahren wir, wie ausführlich Panerai die eigenen Modelle erprobt. Ich durfte bereits mehrere Manufakturen besichtigen, aber so ausführliche Testverfahren wie bei Panerai, habe ich bis dato noch nicht gesehen. Wasserdichtigkeit, Auswirkungen von Wasserdampf, Magnetfeldresistenz, Korrosionsverhalten und sogar Stürze auf harte Oberflächen werden hier geprüft. Erst wenn eine Uhr all diese anspruchsvollen Herausforderungen meistert, darf sie in die Produktion gehen.
Genau dahin führt uns nun auch unser Weg. Wir laufen an großen, weißen CNC-Maschinen entlang, die präzise Gehäuse und Werkkomponenten aus diversen Rohmaterialien fräsen. Einige hoch technisierte Maschinen sind sogar für die Finissierung von Brücken und Platinen zuständig. Panerai geht hier sehr offen damit um, dass man sich hier auf die Genauigkeit und gleichbleibend hohe Qualität der maschinellen Fertigung verlässt. Und irgendwie ist es auch beeindruckend zu sehen, wie hier computergesteuerte Roboterarme Teile des Fertigungsprozesses durchführen.
Und dennoch bekommen wir auch noch klassische Handarbeit zu sehen. Einen Raum weiter sitzen die Uhrmacherinnen und Uhrmacher von Panerai in ihre weißen Kitteln über die Werkbänke gebeugt. Jetzt heißt es leise sein, um sie nicht bei ihrer konzentrierten Arbeit zu stören. Wir beobachten, wie sie die Uhrwerke Komponente für Komponente zusammensetzen. Für ein einfaches Werk arbeiten rund 8 Uhrmacher in einer Reihe, wobei jeder einen vorgeschriebenen Teil der Montage übernimmt. Die fertigen Werke werden anschließend getestet und Chronometer zertifiziert, bevor sie zusammen mit Zifferblatt und Zeigern in ihr Gehäuse eingeschalt werden. Es ist für mich jedes Mal ein faszinierender Moment, wenn aus den Einzelteilen eine fertige Uhr entstanden ist und diese erstmals anfängt zu ticken.
Am anderen Ende des Raums wird es kompliziert. Etwas abgetrennt vom Rest der Produktion, sitzen die besten Uhrmacher von Panerai in der Haute Horlogerie Abteilung. Hier entstehen die komplizierten Meisterwerke der Manufaktur wie ewigen Kalender, Tourbillons oder Minute Repeater. Hier dürfen wir leider nur kurz verweilen und auch Bilder machen ist nicht gestattet. Dennoch erfahren wir, dass diese Uhren komplett in Handarbeit jeweils durch einen einzelnen Uhrmacher entstehen - »One Man - One Engine« also. Das ist aufwendig und kostet Zeit. Ein Minute Repeater von Panerai besteht aus 632 Teilen. Die Assemblage, also der Zusammenbau und die Regulierung des Werkes, dauert daher rund 3 (!) Monate. Ich bin beeindruckt, doch viel Zeit zum Staunen bleibt nicht, denn uns erwartet noch ein abschließendes Highlight der Führung.
Der krönende Abschluss
Nachdem wir noch schnell gezeigt bekommen, wie die Uhren durch die Endkontrolle laufen und ein letztes Mal auf Herz und Nieren getestet werden, führt uns unser Weg in einen anderen Teil des modernen Gebäudekomplex, wo uns bereits ein vorzügliches Mittagessen erwartet. Die Stimmung in der Gruppe ist heiter und das liegt nicht nur an dem guten Weißwein, der uns kredenzt wird. Wir lassen die Eindrücke der letzten Stunden Revue passieren und diskutieren angeregt. Uhrenliebhaber unter sich, es ist ein Traum. Doch der krönende Abschluss erwartet uns nach dem Dessert.
Wir werden in einen Raum geführt, der dem Interieur einer Panerai-Boutique nachempfunden ist. Hinter stilvoll beleuchteten Glasvitrinen können wir so gut wie jedes Panerai-Modell der aktuellen Kollektionen bestaunen. Und dann kommt endlich die Frage, auf die wir alle gewartet haben: »Welche Uhren wollt ihr denn sehen?«. Die nächsten 60 Minuten vergehen wie im Flug. Ich teste mich quer durch den gesamten Produktkatalog von Panerai. Ganz besonders beeindrucken mich die komplizierten Stücke, die man sonst nur selten zu Gesicht bekommt. Vor allem die L’Astronomo Tourbillon Moon Phase mit Tagesgleichung und GMT hat es mir angetan. So ein mechanisches Wunderwerk in den Händen zu halten ist das eine, aber vorher gesehen zu haben, wo und wie es hergestellt wurde, ist noch eimal etwas komplett anderes. Man hat nun einen ganz anderen Bezug zu der Marke und sieht sie mit neuen Augen.
Als ich eine Stunde später erschöpft, aber noch immer grinsend im Bus zum Flughafen sitze, fasse ich für mich einen Beschluss: Ich brauche wieder eine Panerai. Am besten eine klassische Luminor Marina. Oder vielleicht doch eine Radiomir? Wobei die Subermsible hatte auch so einen richtig tooligen Charakter… Eigentlich muss es ein Chronograph sein - mit Flyback! Die Wunschliste ist auf jeden Fall während der letzten zwei Tage deutlich länger geworden. Und das ist irgendwie auch immer so der Nachteil von Manufakturbesuchen. Dennoch ist es jedes Mal die Reise wert. Und ich danke dem ganzen Team von Juwelier Weber sowie Panerai für die Einladung. Ich werde diesen Trip so schnell nicht vergessen.
Weiterführende Links:
Zusammen mit Konstantin aka. Mister B., der auch bei der Reise dabei war, habe ich eine Podcast-Folge zu dem Panerai-Manufakturbesuch aufgenommen: https://www.mrnicewatch.de/podcast/episode/2295dd3d/135-manufakturbesuch-bei-panerai-mit-mister-b
Ein Video zum Manufakturbesuch findet Ihr auch auf dem YouTube Kanal von Mister B: https://www.youtube.com/watch?v=IKJ1bCw5SMU&t=189s
Last but not least ist auch Juwelier Weber aus Gelsenkirchen-Buer immer einen Besuch wert: https://www.weber-juwelier.de
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